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Masochismus
cinegeek.de - wrote on 03/07/16
Noah Baumbach macht seit 20 Jahren Filme und hat sich dabei als Komödien Regisseur bewiesen. Die Charaktere in seinen Filmen waren meistens ignorant, selbstverherrlichend und verbittert. Das änderte sich, seit er gemeinsam mit seiner neuen Freundin Greta Gerwig arbeitet. Baumbach & Gerwig Filme sind weniger verletzend und viel zugänglicher. Diesmal spielt Gerwig Brooke, eine New Yorkerin, Thirtysomething, die unentwegt redet, abei aber wenig zuhört. Sie ist mit jedem und niemanden verbunden, sucht den Erfolg - im Grunde aber fehlt ihr das Talent, konkret etwas zu erreichen. Die Hauptfigur ist aber übrigens gar nicht Brooke, sondern Tracy (Lola Kirke). Die Studienanfängerin ist neu in der Grossstadt, so dass Tracys Mutter auf die Idee kommt, sie mit Brooke zu verbinden. Brooke wiederum ist die Tochter des neuen Freundes der Mutter von Tacy. Alles klar? Baumbach kann ein ziemlich unerbittlicher Beobachter der amerikanischen Mittelschicht sein. Mit seiner Co-Autorin Gerwig hat Baumbach insbesondere die Nöte einer gelangweilten Studentin satirisch offen gelegt. Ich erinnere mich an eine Szene, in der Tracy allein in einer Bude isst - irgendwann nachts. Währenddessen läuft Paul McCartneys "No More Lonely Nights". An dieser Stelle tritt Brooke in Tracys Leben, die einen auf ihre ganz eigene Art verrückt machen kann. Die negativen Seiten dieser Freundschaft werden sich bald zeigen... Brooke ist das, was man als "jugendlich" bezeichnet, so lange man jung ist und es nicht besser weiss. Sie selbst betrachtet sich als "Curator", was für mich übersetzt so viel bedeutet wie Mangel an Talent und Fähigkeiten. In Mistress America gibt es eine Nebenhandlung, in der Tracy die Dinge des Lebens in Kunst übersetzt. In ihrem Umfeld ist sie die Einzige, die das Zeug zu einer echten Schriftstellerin hat. Als Voice-Over hören wir Passagen aus ihrer Kurzgeschichte "Mistress America" über Brooke und können sicher sein, dass die Schärfe von Tracys Beobachtungen wohl unangenehm sein werden für die Protagonistin. Brooke wird darin als anstrengende und stark beschränkte Persönlichkeit beschrieben. Mistress America ist eine Komödie voller Witz, die ganz genau hin sieht. Eine ganze Reihe der Dialoge sind zitierbar auf geradezu literarischem Niveau: "X doesn't roll like that, because X can't be pinned down.", erklärt uns Brooke in Mathematik. Mistress America ist deshalb ein Film, der ein wenig Masochismus braucht, um ihn zu mögen. Ich stelle mir vor, ein Wochenende mit den Protagonisten zu verbringen. Falls ich es nicht fertig bringe, sie zu hassen, dann vielleicht, weil ich einen Teil von ihnen in mir selbst entdecke? mehr auf cinegeek.de