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Mythos
cinegeek.de - wrote on 03/17/16
Das, was den Western vom Abenteuerfilm unterscheidet, ist der Mythos. Für John Ford muss der "Westen" ein mystischer Ort gewesen sein, an dem seine Träume hingen. Historische Fakten spielen in seinen Filmen deshalb auch nur eine untergeordnete Rolle. Er war ein konservativer Utopist. The Man Who Shot Liberty Valance ist sein nachdenklichstes Werk geworden. Wer erschoss Liberty Vallance? Die Entscheidung zwischen der Wahrheit und dem Mythos fällt im Film ganz einfach: Der Westen lebt von der Legende. Der Film spielt zu der Zeit, da sich das Gesetz des Stärkeren zugunsten des Rechts im juristischen Sinne verschiebt. Wir erleben den Beginn der Moderne: Braucht ein Mann eine Pistole, um sich zu verteidigen oder sollte er sich besser eine Meinung bilden? Wir befinden uns in Shinbone, in einem unbenanntem Territorium. Die Grossgrundbesitzer versuchen, diesen Status zu erhalten. Die kleinen Farmer wollen einen Staat gründen. um ihre Rechte zu verteidigen. Drei Männer stehen im Mittelpunkt des Geschehens: Stoddard, Doniphon und Valance. Der Film eröffnet damit, dass Senator Ransom Stoddard (James Stewart) mit seiner Frau Hallie (Vera Miles) nach Shinbone kommt. Ein Zeitungsreporter fragt den berühmten Mann nach den Gründen seines Besuchs. Stoddard trat die Reise an anlässlich des Begräbnisses eines Mannes namens Tom Doniphon (John Wayne). Niemand kennt diesen Mann. Seine Leiche liegt in einem primitiven Sarg, man hat dem Toten die Schuhe gestohlen. Ein Armenbegräbnis. Der Reporter fragt nach, wer diese Person sei? Ein Freund. Ein alter schwarzer Cowboy führt das Ehepaar noch einmal zum abgebrannten Haus des Toten: Es ist klar, sie haben ihn geliebt. In einer langen Rückblende, die fast den gesamten Film einnimmt, erzählt Ford den Hergang der Ereignisse. Viele Jahre zuvor terrorisierte der sadistische Bandit Liberty Valance (Lee Marvin) die Stadt. Tom Doniphon beschreibt den vielfachen Mörder: "Liberty Valance's the toughest man south of the Picketwire--next to me." Als Ransom Stoddard als junger Anwalt in die Stadt einreist, wird er von Vallance überfallen und fast zu Tode gepeitscht. In der Stadt pflegen ihn Nora and Peter Ericson gesund und arbeitet in deren Restaurant. Stoddard besteht darauf, als Tellerwäscher zu arbeiten, um die Unkosten zu bezahlen. Während der meisten Szenen im Film sehen wir ihn mit Schürze (anstatt mit Revolver). In dem Restaurant arbeitet auch Hallie. Im Reisegepäck hat Stoddart seine Bücher des Rechts und ein Schild für seine Anwalts-Kanzlei. Er befestigt es am Gebäude der örtlichen Zeitung. Das Schild ist ein Affront. Tom Doniphon beobachtet ihn und macht Stoddart darauf aufmerksam, dass im Westen derjenige im Recht ist, wer schneller schiesst. Stoddard entgegnet, dasselbe hätte Liberty Vallance auch zu ihm gesagt. Eine Dreiecksgeschichte bahnt sich an: Jeder im Ort geht davon aus, dass Doniphon Hallie heiraten wird, doch sie hat nur noch Augen für den kultivierten Stoddart. Auch das beobachtet Doniphorn, aber reagiert zu langsam. Hallie sitzt bereits in Stoddarts neu initiierter Schulklasse und lernt Lesen. Wir erleben den Siegeszug der Demokratie über den Faschismus. Bisher herrschte der Tyrann Valllance in Shinbone. Die Einwohner hassten ihn, waren aber machtlos. Durch Stoddarts Bildung lernen sie, demokratisch zu denken. John Ford filmt diese Dreiecksgeschichte in seinem puristischen Stil. Ich hab mir den Western heut ein zweites Mal angesehen und mir fielen einige Kleinigkeiten auf: Shinbone ist eine der wenigen Western-Städte, in denen keine Prostituierten auftauchen. Es scheint, als seien die Anwohner auch in der Hinsicht bereit für demokratische Verhältnisse. Die Art und Weise, wie Ford ganz nebenbei die gängige Rassentrennung in der Stadt im Film betont, ist besonders beeindruckend: Der schwarze Cowboy Pompey wird beim Betreten der Bar kurz darauf angesprochen, dass der Zutritt für ihn verboten sei - aber Doniphorn reagiert barsch und bestellt dem Schwarzen einen Whisky. Ganz nebenbei registrieren wir diese gute Eigenschaft an ihm. Es gibt noch viel mehr zu entdecken in The Man Who Shot Liberty Valance und in einer alten Kritik lese ich, es sei der grösste politische Film aller Zeiten! Tatsächlich wird die Rolle der freien Presse betont und genau gezeigt, wie eine demokratische Abstimmung organisiert wird. Ich denke, die Behauptung, Ransom Stoddard wird letztlich in den amerikanischen Senat gewählt, weil er Liberty Vallance erschoss, ist keine Übertreibung. Für John Ford steht hinter der Frage, wer Vallance erschoss aber noch viel mehr: In den Worten des Zeitungs-Reporters: "This is the West. When the legend becomes fact, print the legend." dazu haben wir die (für unseren Geschmack) fesselndsten Western der klassischen Phase ab 1946 in unserer Film List zusammen gestellt.