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Abstieg
cinegeek.de - wrote on 03/27/16
Our Daily Free Stream: Jean Eustache - Mes Petites Amoureuses (engl. subt.). Warum gibt es keine Eustache Filme auf DVD? Weil wir hier einen Streit um die Urheber-Rechte erleben. Was ist mit der Kopie von The Mother And The Whore aus den späten 90ern? Ja, wir haben sie als Japan Import gekauft. Nein, die englischen Untertitel funktionieren nicht. Immerhin: Diesen Eustache Film könnt ihr jetzt streamen: Mes Petites Amoureuses - Im Sommer 1973 wollte das Publikum auf der ganzen Welt den Helden aus Eustaches berühmten Debüt The Mother And The Whore umarmen! Seine endlosen Gespräche mit den zwei Frauen, die er liebte, wurden zum Vorbild, wie man überhaupt in einer "modernen" Beziehung zusammenlebt! Das Debüt von Jean Eustache aus dem Pariser Studenten-Milieu war spektakulär und aggressiv! Ganz anders sein zweites Werk, ein schlichter Kinderfilm. Ganz nüchtern erinnert er sich an eine (seine?) Kindheit, fast auffallend unauffällig und sehr lakonisch. Daniel ist zwölf Jahre alt und lebt bei seiner Grossmutter auf dem Land. Mit seinen Freunden spielt er den Senioren im Dorf Streiche, erlebt den Besuch des Zirkus als echte Sensation und beginnt langsam, sich für die Mädchen zu interessieren... Dann aber der Schock: Seine Mutter kommt aus dem Süden und holt Daniel zu sich nach Narbonne. Dort lebt sie mit einem wortkargen spanischen Landarbeiter. Die Mutter arbeitet als Näherin, die Wohnung ist herunter gekommen. Da das Geld kanpp ist, darf Daniel nicht länger aufs Gymnasium, sondern muss als Aushilfe in einem Fahrrad-Laden arbeiten. Er ist nicht mehr der Anführer seiner Spielkameraden, sondern nur noch "der Kleine". Nicht mehr priviligiert, sondern von Erwachsenen ausgenutzt. Daniel muss das alles hinnehmen und leidet still. Doch ungeachtet seines sozialen Abstiegs, erlebt er die ersten erotischen Gefühle: Daniel beobachtet andere Liebespaare, imitiert die Älteren und übt mit kleinen Mädchen. Im französischen "Midi" aber gibts Sex nur nach der Ehe und dafür ist Daniel noch zu jung. Um das klarzustellen: In Daniels Leben werden bereits alle Weichen gestellt, dass er so enden wird wie seine Mutter. Und doch: Eustache beschwört mit melancholischer Poesie das Paradies der Kindheit. Daniels Zukunft sehen wir bereits am Rande, dort wo die jungen Machos mit Mofas umher düsen, in Bars herumhängen und wie schäbige Vorstadt Casanovas wirken. Eine mediterrane Männer-Gesellschaft, wie man sie in vielen französischen oder italienischen Filmen sieht. Es gibt kein Aufbegehren, nur Lethargie und leise Trauer. Über all dem liegt der Schleier von Daniels verlorener Kindheit auf dem Land. Daniels Mutter übrigens ist durchaus nicht ohne Liebe für ihren Sohn. Ingrid Craven spielt sie als kleinbürgerliches Arbeitstier: Aufgemöbelt, unschuldig, ein bisschen dumm. Eustaches Kameramann Nestor Almendros filmt das in langen Einstellungen und spröden Bildern. Der Film übernimmt die Perspektive Daniels, bleibt emotionslos und ohne Romantik. Eustaches Mes Petites Amoureuses steht in der grossen französischen Tradition von Werken, welche die Pubertät als Sujet haben. Eustache ist der rigorose Beobachter des französischen Kinos. Im Alter von 43 Jahren verübte er 1981 Selbstmord. Bis dahin hatte er ein Dutzend Filme gemacht, doch im Grunde sprach jeder immer nur über sein Debüt The Mother and The Whore. Bestimmt liegt das daran, dass wohl kein Film so detailliert das tägliche Pariser Leben beobachtet! Mes Petites Amoureuses wählt einen anderen Tonfall, denn hier steht ein kleiner Junge im Mittelpunkt. Der Film zeigt keine schicken Pariser Cafes, sondern das Leben am sozialen Rand. Hier sehen wir keine schönen Menschen, die diskutieren, flirten und rauchen. Keine Menschen, mit denen wir uns identifizieren wollen. Stattdessen: Eine Familie, die sich allerhöchstens ein Abendessen an einem Sonntag als gemeisame Zeit gönnt. Dazu gibts unsere Auswahl der französischen Nouvelle Vague der 70er (zweiter Anlauf) auf der Webpage unserer Videothek (in echt: immer noch mit DVD Verleih) cinegeek.de abstieg