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cinegeek.de - wrote on 05/16/16
Die Beziehung zwischen Sandra und Leonard ist merkwürdig; ich meine, sie ist von ihrer Seite aus gestört. Leonard hat ein mentales Problem und benötigt Medikamente. Es ist nichts Gravierendes, doch derzeit lebt er bei seinen Eltern. Ich denke, Sandra kennt ihn und trotzdem gesteht sie ihm, dass sie ihn liebt und helfen will. Leonard (Joaquin Phoenix) aber ist ganz auf seine inneren Dämonen fixiert. Seine Verlobte verliess ihn und deshalb sitzt er nun wieder in seinem Kinderzimmer. Er arbeitet für seinen Vater in der Wäscherei und beliefert die Kunden. Sandra (Vinessa Shaw) kommt aus der Nachbarschaft von Brooklyn und ist die Tochter der anderen Wäscherei in Familien Hand. Ihr Vater will nun das befreundete Unternehmen kaufen und deshalb wäre eine Hochzeit für beide Seiten praktisch. Leonard aber trifft Michelle (Gwyneth Paltrow) und ist gebannt! Sie ist blond, aufregend und in seinen Augen kultiviert und glamorös. Sie scheint ihn auch zu mögen und der Plot für eine traditionelle Dreiecksgeschichte wäre damit gegeben. James Grays Two Lovers ist allerdings alles andere als traditionell. Es ist ein Film mit unerhört scharfer Beobachtungsgabe und es wäre nun ein Leichtes, die Charaktere in ein Melodram zu werfen. Gray tut das nicht. Er blickt tief in sie hinein und versteht sie. Das ist seine Qualität. Die meisten von uns würden an einem bestimmten (unreifen) Punkt unseres Lebens auch Michelle vergöttern: Sie ist schön und charmant mit einem gewinnendem Lächeln. Sie hat aber keine innere Ruhe. Leonard glaubt, über einige entscheidenden Punkte hinweg sehen zu können: Michelle hat einen älteren Liebhaber und nimmt Drogen. Vermutlich sieht Leonard sich selbst als die Lösung ihrer Probleme. Es gibt aber ein Verständnisproblem seinerseits: Er verwechselt, dass sie ihn braucht damit, dass sie ihn liebt. Er verwechselt seine Gefühle mit ihren. Sandra ist auch schön und sehr nett. Ihre Familien kennen sich aber seit Jahren. Michelle dagegen eröffnet ihm eine neue Welt. Zum Glück ignoriert Gray sämtliche Klischees über Eltern im allgemeinen und insbesondere das über jüdische Mütter. Leonard und Sandra kommen beide aus liebevollen Elternhäusern und beide lieben auch ihre Eltern. Es tut deshalb umso mehr weh, zu verfolgen, wie Leonard ein geheimes Leben ausserhalb mit Michelle führen will. Leonards Eltern Ruth und Reuben Kraditor (Isabella Rossellini und Moni Monoshov) sind schon ewig verheiratet und sehr vernünftig. Natürlich wünschen sie sich ein nettes jüdisches Mädchen wie Sandra, damit ihr Sohn stabilisiert wird. Jedoch offenbart Sandras Liebe bereits in diesem frühen Stadium eine gewisse vereinnahmende Kraft. Das ist selten in Filmen. Übrigens wollen alle Eltern im Film nur das Beste für ihre Kinder. Es geht keineswegs um so etwas wie eine arrangierte Heirat. Michelle dagegen hat so viele Probleme, dass sämtliche Alarmsignale rot leuchten. Ihre Welt wirkt geradezu gefährlich für Leonard. Gray hat einen Film gemacht über Menschen, die wir kennen oder zumindest nachvollziehen können. Two Lovers ist so toll besetzt und gespielt, dass nichts künstlich erscheint. Für die Länge eines Spielfilms glauben wir in der echten Welt zu sein. Und wir nehmen so gar etwas mit davon!