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Monoton
cinegeek.de - wrote on 05/24/16
Our Daily Free Stream: Abbas Kiarostami - Taste Of Cherry (engl. subt.). Wer erinnert sich noch an das Drama in Cannes 1997? Abbas Kiarostami durfte in letzter Sekunde den Iran verlassen, um zur Premiere von The Taste Of Cherry zu gelangen. Stehende Ovationen gab es für Kiarostami vor dem Film. Am Ende gewann er die goldene Palme. Heute am Videotresen der Filmkunstbar Fitzcarraldo diskutierte ich mit zwei Kunden über den Film. Beide meinten, The Taste Of Cherry sei ein grosses Meisterwerk. Mir kam es so vor, als ob ich einen halbfertigen Film gesehen hätte. Eine Parabel über Leben und Tod, die man wunderbar vortragen könnte, so dass es sich immerhin wie ein grosser Film anhört... Die Geschichte: Ein Mann in einem Range Rover kurvt durch eine Landschaft in der Nähe Teherans, die aussieht wie eine riesige Baustelle. Der Mann heisst Mr. Badhi (Homayon Ershadi). Er will Selbstmord begehen und sucht jemanden, der ihn umbringt. Der Erste, den er fragt, aber, läuft davon. Selbstmord wird vom Koran verboten und so scheint das Unterfangen gar nicht so einfach. Schliesslich aber trifft er einen alten Mann, der Geld braucht und einwilligt. Trotzdem argumentiert der alte Mann, weshalb Selbstmord keine Lösung ist: Könnte er, Badhi, ohne den Geschmack von Kirschen leben? Kiarostami erzählt das in langen monotonen Einstellungen. Fast nie sieht man zwei Figuren während einer Einstellung. Gaaanz lange fährt der Range Rover durch die verwüstete Landschaft, dann wieder raucht Bahi in einer genauso langen Sequenz. Die beiden Kunden am Videotresen lobten Kiarostami, der so langsam und intensiv filmt. In einer Zeit, in der unsere Aufmerksamkeitsspanne immer mehr sinkt (so lerne ich), wäre The Taste Of Cherry ein heilsames Gegenmittel. Durch die Langsamkeit des Films könnte man sich voll auf das existentielle Dilemma des Mannes einlassen. Ich habe an sich überhaupt kein Problem mit langsamen Filmen. Ich liebe die japanischen Klassiker, ja bin süchtig nach ihnen! Kiarostamis Stil aber kommt mir affektiert vor. Sein Subjekt verlangt diese Monotonie gar nicht! Und Badhi? Können wir uns auf seinen Charakter, sein Dilemma, nun wirklich besser konzentrieren? Wäre es aber nicht hilfreich, ihn etwas besser zu kennen? Wissen wir überhaupt etwas von ihm? Kiarostami unternimmt keinen Versuch, uns diesen Mann näher zu bringen. Er lässt ihn nur bedeutungsschwanger in die Ferne blicken. Und ist es notwendig, dass wir Kiarostamis Kamerateam manchmal im Bild sehen? Soll uns das bewusst machen, dass eben alles nur ein Film ist? Ich hätte da allerdings eine schlechte Nachricht: The Taste Of Cherry kommt so leblos daher, dass ich nie wirklich in den Film eintauchen kann. Im Grunde gebe ich den beiden Kunden Recht: Es ist gut, wenn Filme nicht bloss ein Action-Gewitter sind! Gut, wenn ein persischer Regisseur heimlich dreht und damit so einiges riskiert! Ja, wir alle befürworten künstlerische Freiheit in der islamischen Republik! Ja, es gibt ganz grossartige Filme aus dem Iran! Ist aber The Taste Of Cherry eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte? Nein. (Dazu gibts unsere Film List "Arthaus Iran" auf cinegeek.de