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Aguirre, Wrath of God ( Aguirre, der Zorn Gottes )

Visionär
cinegeek.de - wrote on 06/13/16

Our Daily Free Stream: Werner Herzog - Aguirre. Herzog bietet neuerdings online seine Dienste an, uns in sein Handwerk einzuweisen. Doch kann man im Internet lernen, wie man einen Aguirre filmt? Ein Fluss, den Gott nie beendete - dort spielt Werner Herzogs Aguirre. Die letzten Mitglieder einer spanischen Expedition, auf der Suche nach der Goldstadt El Dorado. Sie brüllen die eingeborenen Indianer an, versuchen mit Hilfe ihrer Sklaven zu übersetzen. Ein Priester hält ihnen die Bibel, das Wort Gottes, entgegen. Vergeblich, El Dorado muss am Ende dieses Flusses liegen. Weiter, immer weiter... Werner Herzogs Aguirre ist eine der eindringlichsten Visionen des Kinos. Die verdammte Expedition des Konquistadors Gonzalo Pizarro, der im 16. Jahrhundert eine Handvoll Männer in den Regenwald Perus führte. Was hat Herzog daraus für Bilder gezogen! Eine lange Linie von Eroberern, über ihnen hängen verwunschene Nebelwolken, die feststecken in den Gipfeln der Anden. Die Männer tragen rundliche Stahlhelme. Ihre Frauen werden in Sänften getragen - gekleidet für einen Empfang am Hof, aber nicht für den Dschungel. Quälend klingt dazu die Musik von Florian Fricke, der so viele von Herzogs Filmen veredelte. Wir hören eine Art Orgel, die sich wie ein menschlicher Chor anhört - und doch wieder nicht menschlich klingt... Die Musik ist essentiell für Herzogs Film, der keine Geschichte mit einer Auflösung erzählt, sondern uns in eine bestimmte Stimmung versetzt: Es ist das Gefühl, teilzuhaben an einer wahnwitzigen Vision. Wir werden aus Raum und Zeit gerissen, hinein in Herzogs spirituelle Welt. Dorthin, wo das Universum den Menschen niederringt. An den Punkt, in dem seine Träume und Wahnvorstellungen entspringen. Genauso entscheidend wie die Musik ist das Gesicht Klaus Kinskis. Mit seinen blauen Augen und seine fleischigen Lippen könnte dieser Schauspieler sinnlich wirken, würde sich sein Mund nicht immer wieder zu einem steifen Grinsen verziehen. Herzog behauptete einmal, Kinski schon in jungen Jahren kennen gelernt zu haben, als er vor Wut eine Toilette zerschlug. Laut Herzog konnte man anschliessend die Keramikscherben durch einen Tennisschläger sieben. Kinski, seine Muse! In dem Moment, da Pizarro bemerkt, dass seine Expedition eine Torheit ist, schickt er wenige Männer vor, den Fluss zu erkunden. Angeführt wird diese Gesandschaft von dem Aristokraten Don Pedro de Ursua gemeinsam mit Aguirre (Kinski). Mit dabei, ein paar Soldaten und Sklaven, ein Priester sowie Aguirres Tochter Inez. Ein Sklave erzählt den Frauen, dass er einst ein Prinz war, dem niemand ins Gesicht sehen durfte. Heute steht er in Ketten vor ihnen. Herzog hat keine Eile und nicht das Bedürfnis, diese Reise mit Action aufzublasen. Stattdessen vermittelt er uns ein Gefühl für die Grenzenlosigkeit des Flusses und des Regenwaldes darum herum. Kein Ufer ist in Sicht, alles wurde durch das Hochwasser geflutet. Das Schicksal dieser Entdeckungsreise: Der Tod. Nach und nach sterben die Anführer, schliesslich regiert Aguirre, terrorisiert die Hinterbliebenen. Wahnsinn liegt in seinen Augen. Er glaubt, jemanden flüstern zu hören - eine Verschwörung... Sofort trennt er den Kopf des Verräters ab! Die letzte Einstellung ist eine der nachhaltigsten und eindrucksvollsten, die ich je im Kino sah: Aguirre ganz allein auf seinem Floss, umgeben von Hunderten kleiner Äffchen. Und immer noch plant er sein Imperium. Die Herstellung von Aguirre gehört an sich in den Mythenkreis des Weltkinos. Wie Herzog in einem entlegenen Teil des Dschungel drehte, wo das Fieber tobte und man leicht den Tod erwarten durfte. Herzog behauptet, Kinski die Regie-Anweisungen mit einem Gewehr gegeben zu haben. Kinski wiederum verneint das: Nur er hätte ein Gewehr besessen! Die gesamte Crew verbrachte den Dreh auf denselben Flossen, die wir auch im Film sehen. Herzog, erklärt, alle Dialoge wären ihm unmittelbar vor den Szenen eingefallen. Aguirre wird weder durch Dialoge getragen, noch durch Charaktere. Nur Kinski füllt seinen Aguirre aus mit seinem Blick, seiner Körpersprache. Es ist eine Geschichte, direkt aus Herzogs Universum: Ein Mann, der das Unmögliche versucht, seine Vision zu leben. Ein Mann, der die Natur herausfordert. Von allen Filmemachern ist Werner Herzog der obsessivste, der besessenste! Nur ganz wenige Filme erreichen die Kühnheit dieser, seiner Vision und ihnen allen ist gemein, dass sie keinen ordinären Erfolg suchen, sondern Transzendenz. Vergleichen lässt sich Aguirre aber nur mit einem einzigen Film: Dem Herzog Film, der unserer Filmkunstbar Fitzcarraldo ihren Namen verlieh!

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