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Im Mai
cinegeek.de - wrote on 06/20/16
Our Daily Free Stream: Bernardo Bertolucci - The Dreamers. Im Mai 1968 waren es drei Dinge, die unseren Planeten bewegten: Sex, Politik und das Kino. In Paris weitete sich die Amtsenthebung von Henri Langlois, dem legendären Gründer der Cinematheque Francais zu einer Revolte aus mit dem Ziel, die Regierung zu stürzen. Barrikaden in den Strassen, Molotows und Zusammenstösse mit der Polizei - eine Vertrauenskrise. Es ist heute bestimmt nicht mehr vorstellbar, welch immensen Einfluss die neue Generation der Filmemacher damals hatte. Einer von ihnen war Bernardo Bertolucci, der als verlängerter Agitprop Arm der Revolution diente. Wenn mein Vater mit seinen Geschwistern zusammen sitzt und über diese Zeit in nostalgischen Erinnerungen schwelgt, kann man nachvollziehen, was The Dreamers hier an Erinnerungen wieder aufleben lässt. Es ist wie einer dieser Abende bei uns, an dem die ehemaligen "Revolutionäre" von ihren Heldentaten berichten. Mit nur 24 Jahren drehte Bertolucci sein Debüt - ein politisches Manifest. Später sollte er mit expliziter Nacktheit die Kunst seiner Zeit "modifizieren" (Ich denke, in etwa so sprach man damals tatsächlich über Filme). Ich denke, es ist wichtig, sich über diesen Hintergrund klar zu werden. Bertoclucci jedenfalls, hatte all das mit Sicherheit im Hinterkopf als er The Dreamers filmte. Er schliesst an seinen legendären Klassiker aus dem Jahr 1972 an. Wieder ist die Handlung auf ein Pariser Apartment beschränkt. Wieder erleben wir grenzüberschreitenden Sex. In einem überaus symbolischen Moment schliesslich, fliegt ein Stein durchs Fenster - die Revolution erlöst unsere drei Helden aus ihrer introvertierten Liebes-Triangel. Doch von vorn. Matthew (Michael Pitt), ein junger Amerikaner aus Kalifornien, kommt nach Paris, um dort zu studieren. Er trifft auf die Zwillinge Isabelle (Eva Green in ihrer ersten grossen Rolle) und Theo (Louis Garrel, ebenfalls in seinem ersten grossen Auftritt). Sie sind die Kinder eines berühmten französischen Poeten und seiner britischen Frau. Fast ihre gesamte Zeit verbringen sie mit Filmen. Die Dialoge können sie auswendig und vor allem zur richtigen Zeit in ein Gespräch einbauen. Einmal witzelt Isabelle über Matthew: "You're awfully clean for someone who goes to the cinema so much." Er ist viel mehr als das: Ein unschuldiger, idealistischer Yankee. Das sind die Kinder des Kinos, die Jünger der französischen Neuen Welle. Wer schritt in welchem Film die Champs Elysees auf und ab, um den New York Herald Tribune zu verkaufen? Fragen wie diese, gehören in Bertoluccis Film unbedingt dazu! In The Dreamers gehts aber um mehr als ein blosses Kino-Quiz. Sex ist die Grundlage. Matthew trifft die Zwillinge auf einer Langlois Demo (die Bertolucci geschickt mit Footage Material von Jean-Pierre Leaud verpackt und einige der legendären Regisseure kurz durchs Bild huschen lässt). Matthew ist glücklich und schreibt seinen Eltern; "I have at last met some real Parisians!". Nach und nach aber wird er in dem Apartment der Zwillinge in ihre sexuelle Welt gezogen. Mittels eines Ratespieles gewinnt Theo und verordnet Matthew, dass er mit Isabelle schlafen muss. Matthew, obwohl betrunken und auf Droge, weiss, dass etwas falsch läuft. Isabelle aber ist von so überirdischer Schönheit, dass er sich darauf einlässt... The Dreamers ist ein Film von grandioser Schönheit, Bertolucci einer der grossen "Maler" des Kinos - fast ein alter Meister! Hingebungsvoll wirft er seine drei Charaktere immer wieder in klassische Fimszenen. Solche Referenzen werden mal mehr und mal weniger subtil vorgetragen - unmöglich sie alle zuzuordnen! Ich denke, der Titel rührt daher, weil die Drei eben so lange träumen, bis der Stein durch ihr Fenster saust. Die Realität mit Tränengas und Molotow Cocktails bricht schliesslich ein in ihre Abgeschiedenheit. Uns wird bewusst, dass weder das Kino noch die sexuelle Befreiung je die Welt hätten ändern können - obwohl das bestimmt eine Zeit lang so schien. Macht und Geld sind der Antrieb jeder Veränderung. Matthew kann den Zwiilingen draussen im Zuge der Strassenkämpfe nicht folgen. Er verlässt sie in die entgegengesetzte Richtung. Wer weiss, was aus seiner Zukunft wird? Vielleicht wird er eines Tages der Regisseur von The Dreamers?